Sonntag, 3. Januar 2010
Hesemann, Michael, Die Entdeckung des Heiligen Grals, München: Pattloch Verlag 2003, Festband, SU, 384 S., ISBN 3-629-01659-6, 19,90 €.
Eines der beliebtesten Themen in der esoterischen Literatur ist schon seit einiger Zeit der Gral. Immer wieder Hochzeiten erlebend, kann das Thema literarisch betrachtet werden und, damit einhergehend, können die verschiedenen Werke der Gralsdichtung reflektiert werden.
Wem die literaturwissenschaftliche Analyse des Topos Gral nicht zureichend ist, sucht weiter. Von den greifbaren Quellen führen diverse Wege zu den verschiedensten Auffassungen, was der Gral sein könnte. In dieser Frage finden sich Antworten wie die, dass es sich mit dem Gral um den historischen Abendmahlskelch handele und/oder das Gefäß, mit dem das Blut Christi aufgefangen wurde. Er erscheint gleichgesetzt mit dem Inhalt der Bundeslade, mit dem Baphomet der Templer oder aber mit einer Mana-Produktionsmaschine außerirdischen Ursprungs. Eine neuere populäre Meinung will den Kelch gar als immaterielle Blutlinie Christi sehen, der beispielsweise das Geschlecht der Merowinger entsprang. Bis heute soll, in dieser Lesart, das Geheimnis in den Händen einer Bruderschaft gehütet werden. Kleine Orte in Frankreich werden in diesen Schilderungen zu spirituellen Epizentren der Gralsmystik. Und er kann als Symbol für die Suche des Menschen nach dem Göttlichen gedeutet werden.
Das hier vorgestellte und in einem christlichen Verlag erschienene Buch von Michael Hesemann, „Die Entdeckung des Heiligen Grals“, ist im Gegensatz zu thematisch verwandten Darstellungen fast schon bodenständig zu nennen. Hier ist der Gral, das sei vorweg genommen, ein heute noch existierender Gegenstand, eben der oben angesprochene Kelch des Abendmahls, mit dem Joseph von Arimathäa dann später das Blut des Heilands auffing.
Auch Hesemann, der bevor er als Autor, Journalist und Dokumentarfilmer arbeitete, in Göttingen Kulturanthropologie und Geschichte studiert hat, ist also vom Gral fasziniert.
Der Autor zählt christliche Reliquien zu seinen bevorzugten Forschungsgegenständen und traf auf einer Konferenz zu diesen auf zwei freundliche Herren, die seine Aufmerksamkeit auf den Gral lenkten. Wie sich herausstellte, gehörten beide zu einer Gralsritterschaft, die unseren Autor aufforderten, den Gral zu suchen und der Menschheit über dessen Verbleib Kenntnis zu geben. Ergebnis dieser Suche nun ist das vorliegende Buch.
Wie in den meisten Werken zum Thema stehen auch hier die Studien der Schriften von Chretien de Troyes et al. am Anfang der Entdeckungsreise. Nach der Auswertung wird es dann wieder gegenständlich.
Demnach befindet sich der Gral (Santo Caliz) seit ungefähr 1.700 Jahren in Spanien. Petrus selbst war es, der den Gral nach Rom brachte, wo er knapp zwei Jahrhunderte verblieb. Zur Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Valerian dann beauftragte der bedrängte Papst Sixtus II. seinen Diakon Laurentius, der aus Huesca stammte, den Gral an einen sicheren Ort zu verbringen. Dieser tat wie ihm angeordnet und seit dieser Zeit ist der Santo Caliz eben in Spanien. Dort gab es im Laufe der Zeit verschiedene Aufenthaltsorte und Hüter, unter anderem natürlich die Tempelritter.
Nach Lesart von Heseman konnten die Bestandteile des Gralsmythos aufgelöst werden: Munsalvaesche ist demnach die Klosterburg Juan de la Pena am Mons Salvatoris, wo sich der Gral von 1071-1399 befand. Der legendäre Gralskönig Amfortas ist mit Alfonso I. von Aragon identisch. Die vollständige Zusammenfassung der Ergebnisse bietet der Epilog des Buches. Nicht unerwähnt soll dabei bleiben, dass der Autor anfänglich natürlich verschiedenen Spuren nachging, die sich jedoch eine nach der anderen als irreführend heraus stellten. Dazu zählen der Sacro Catino von Genua, der Holzbecher von Nanteos, der Marienkelch von Hawkstone Park, die Gralsschüssel von Glastonbury, der Silberkelch von Antiochia und die Achatschale von Wien. Der „echte“ Gral ist also gefunden.
Am Ende der nur einjährigen Reise hat der Autor damit seine Aufgabe erfüllt und ihm winkt als Lohn die Aufnahme in die Gralsritterschaft. Gratulation.