Sonntag, 3. Januar 2010

Barber, Malcolm: Die Templer. Geschichte und Mythos, Artemis & Winkler: Düsseldorf 2005,
360 S., Festband, SU, ISBN 3-538-07215-9,
28,00 €.


Malcolm Barber ist einer der bedeutendsten Mediävisten im anglo-amerikanischen Sprachraum mit einem Lehrauftrag an der Universität Reading in England. Seine Arbeiten beschäftigen sich in erster Linie mit den geistlichen Ritterorden des Mittelalters. Daneben zählen die Albigenser zu seinen Forschungsschwerpunkten. Zu diesem Thema erschien 2003 ein Werk in deutscher Sprache bei Artemis & Winkler, welches, bezogen auf die kritische Darstellung von Quellen und aktuellem Forschungsstand, als Standardwerk zum Thema gehandelt wird. Der theoretische Teil, ein Vergleich südfranzösischer Katharer mit den Mönchsrittern vom Tempel, ist allerdings begründet kritisiert worden. Was zu unserem Thema, dem gerade auf deutsch erschienenen Werk über die Templern führt.
Bekanntermaßen existiert eine breite kontroverse Literatur zu diesem geistlichen Ritterorden. Das vorliegende Buch „Die Templer. Geschichte und Mythos“ (engl.: The New Knighthood. A History of the Order of the Temple, Cambridge University Press 1994) hat ebenfalls das Zeug zu einem Standardwerk innerhalb der Geschichtswissenschaft.
Doch der Reihe nach. Der Autor fasst den Stand der Templerforschung bis zum Jahr 1993 zusammen und gewichtet dabei vorsichtig die einzelnen Richtungen der akademischen Debatte, die von templerfreundlich bis -ablehnend reichen. Genauso kritisch und gleichzeitig behutsam setzt sich Barber mit den auf uns gekommenen Quellen zu den Templern auseinander, so besonders mit dem zeitgenössischen Templerfeind Wilhelm von Tyrus und dem frühen Protegé der Templer, Bernhard von Clairvaux. Dabei wird deutlich, dass die Vereinigung von klerikalem Ordensleben mit weltlichem Rittertum seit Anbeginn dieser hybriden Schöpfung umstritten war.
Natürlich kann dabei auch die Geschichte der zwei anderen geistlichen Rittergemeinschaften, der Johanniter (später Malteser) und des Deutschen Ritterordens nicht umgangen werden. Beides kommt, ohne vom eigentlichen Thema wegzuführen, in gebührendem Umfang immer wieder zur Sprache. Die größte Schwierigkeit einer solchen Darstellung ist sicherlich die lückenhafte Quellenlage seit dem Verlust der Templerarchives 1571 aus den zypriotischen Besitzungen der Johanniter. Diese Leerstelle führte, wie Barber betont, immer wieder zu Spekulationen und einem bunten Interpretationsfeld um etwaige Geheimnisse der Templer.
Im Großen und Ganzen handelt es sich also bei diesem Werk um eine umfassende historische Darstellung des Templerordens und der mit diesem verbundenen Ereignisse im Osten. Da die Ordensgeschichte der Tempelritter von ihrer Gründung (1119) bis zu den tragischen Umständen ihrer Auflösung (1314) aufs Engste mit der Geschichte der Kreuzzüge verflochten ist, legt Barber also den Schwerpunkt dieser Betrachtung auf die politischen Begebenheiten in den Kreuzfahrerstaaten. Hier größtmögliche Genauigkeit anstrebend, ist die Darstellung der Ereignishistorie ein dichtes und die Komplexität des damaligen Machtgefüges wiederspiegelndes Netz aus Namen, Orten und Jahreszahlen, welches der Autor für den Leser fachgerecht entwirrt. Dabei ist der Text spannend und gut lesbar. Die Geschichte der Mönchsritter im Westen steht etwas zurück; einzig bei den Umständen der Gründung, der Paraphrasierung der Ordensregeln und der Beleuchtung der Finanzgebaren der Templer erfährt man mehr über deren Einfluss im Westen.
Wichtiger Bestandteil des Werkes ist die Auseinandersetzung mit den Motiven von Papst und Krone zu Beginn des 14. Jahrhunderts, die zur Auflösung des Ordens führten, den in den Verhörsprotokollen nachzulesenden Vorwürfen gegen die Templer und die kritische Gewichtung der unter Folter erpressten Geständnisse
Wie es sich für ein gutes historisches Werk gehört, verfügt der Band über ausführliche Quellenangaben, eine weitreichende Bibliographie und zudem wird der Zugriff auf den Text durch ein Personenregister erleichtert. Für eine bessere Orientierung wären neben den vorhandenen noch einige Karten mehr wünschenswert gewesen; besonders eine zu den politischen Grenzen der Kreuzfahrerstaaten in ausgewählten Dekaden dieser Zeit könnten die Vorstellung weiter beflügeln.
Die im Untertitel angezeigte Darstellung des Mythos der Tempelritter entpuppt sich als Wermutstropfen in dem ansonsten hervorragenden historischen Werk. Zu diesem Thema ließen sich sicherlich einige Bände füllen, die eine Ideengeschichte der mit den Templern zusammenhängenden Mythen darstellen könnten. Darauf verzichtet der Autor. Barber gewährt diesem Thema das letzte Kapitel des Buches und beschränkt sich darauf, die Geschichten von einem Templeridol oder aber die des Fluches von Jacques de Molay gegen Phillip IV. und Clemens V. als historisch unhaltbar hinwegzuwischen. Dabei gibt es zumindest eine zeitgenössisch Chronik, die eine Variante der Fluchgeschichte bietet (Ferretto de Vicenza, in: RIS IX, S.1017 f.). Dafür wird die Beschäftigung mit den Templermythen mit Eco-Zitaten (aus: „Das Foucaultsche Pendel“) als Irrsein zu bezeichnet. Das ist unnötig in einer historischen Darstellung, die innerhalb der Geschichtswissenschaft wahrscheinlich für die nächsten Jahre auf dem Gebiet der Geschehnisse um die Templer den Standard gesetzt hat und für alle Templerinteressierte ein sehr gutes historisches Fundament bietet.