Samstag, 2. Januar 2010

Arntz, William et al., Bleep, VAK Verlag: Kirchzarten 2006, Festband, SU, 284 S.,
ISBN 3-935767-84-6; 22,00 €.


Dieses Buch mit seinen 22 Kapiteln gehört zum gleichnamigen Film What the bleep do we (k)now !?, der, ungewöhnlich für einen Dokumentarfilm, sehr erfolgreich in den Kinos dieser Welt war, mehrfach prämiert und vielfach als Bestandsaufnahme eines sich abzeichnenden Paradigmenwechsels in der Wissenschaft gefeiert wurde. Die grundsätzlichen Fragen des Filmes sind dabei auch die des Buches und wahrscheinlich die der Menschheit allgemein: Was ist Realität? Wie wirklich ist unsere Realität? Kreieren wir unsere Wirklichkeit und wenn ja, wie? Was ist Illusion? Und damit auch: Sind wir alle Zauberer oder doch eher Opfer der Umstände?
Das Werk ist gegenüber dem Film um einige Fragestellungen und Hintergrundinformationen erweitert und zudem aufwendig gestaltet. Am Ende eines jeden Kapitels steht die Möglichkeit, sich mit bestimmten Fragen, die sich aus dem jeweils zuvor Dargestellten ergeben, zu beschäftigen und so eine eigene Reise durch die Inhalte anzutreten.
Es sind 14 Wissenschaftler aus den Bereichen Physik, Biologie, Neurologie, Psychologie, Psychiatrie etc., die von William Arntz, Betsy Chasse und Mark Vicente für diesen Film ausgiebig befragt worden. In Film und Buch versuchen die Gelehrten, ausgehend von ihren jeweiligen Fachgebieten, auf die obengenannten Fragen Antworten zu finden, nachdem einleitend eine kurze Entwicklungsgeschichte hin zum heute noch gültigen Paradigma, der Kontextualisierung in die Wissenschaftsgeschichte halber, skizziert ist. Unter den Befragten befinden sich sowohl bekannte Namen, wie Ervin Laszlo, Masaru Emoto oder Andrew Newberg als auch unbekanntere, wie Candace Pert, Jeffrey Satinover, Amit Goswami oder Stuart Hameroff. Allen gemein und damit Qualifikation für Film und Buch ist, fortgesetzt unbequeme Fragen zu stellen und sich mit den eigenen Forschungsergebnissen und Schlussfolgerungen dem wissenschaftlichen Mainstream entgegen zu stellen.
Daneben sind die drei Autoren und Filmemacher Schüler von "Ramtha´s School of Enlightenment", geleitet von der Amerikanerin Judith "JZ" Knight. Diese fungiert als Medium des 35.000 Jahre alten lemurischen Wesens Ramtha. Neben den verschiedenen Wissenschaftlern kommt so auch immer wieder Ramtha zu Wort. Ein weiterer Bestandteil des Textes ist die Dokumentation des ganz persönlichen Ringens der Autoren, die sich selbst im Umgang und in der Umsetzung der Ableitungen des neuen Paradigmas mit einigen Schwierigkeiten konfrontiert sahen, die es zu bewältigen galt. Damit werden die theoretischen Probleme und Überlegungen immer wieder auf eine kulturelle und weiter auf eine individuelle Ebene gebracht, die es auch dem Leser ermöglicht, mit diesen Informationen für sich selbst etwas zu verändern. Viele der ausgiebiger zitierten und an den Buchrand gesetzten Äußerungen ergänzen den Text.
Wie bereits der Untertitel anzeigt, verschwinden bei der Erörterung der Fragen die Grenzen zwischen dem "rein" Wissenschaftlichen im hergebrachten Sinne und dem Spirituellen; beide Betrachtungsmodi beschreiben letzten Endes dieselben Phänomene. Ein suffizienter Erkenntnisgewinn scheint sich nur aus dem Zusammenspiel beider Blickwinkel zu ergeben. Und genau das wird dann in der Folge von einigen der Forscher als neues Paradigma des 21. Jahrhunderts postuliert: das Zusammenwirken von Spiritualität und Wissenschaft wird der nächste Schritt in der Evolution menschlichen und spezieller, wissenschaftlichen Erkenntnisvermögens sein.
Die einzelnen und heutigentags nicht nur in diesem Buch immer wiederkehrenden Gedanken entspinnen sich um Wissenschaft und Religion, ausgehend von Erkenntnissen der Quantenphysik, der Wahrnehmungsphysiologie und damit zusammenhängend mit dem Beobachterproblem bei wissenschaftlichen Experimenten und der Beeinflussbarkeit der Realität durch das Bewusstsein. Viele der Aussagen, natürlich ohne die hier präsentierten wissenschaftlichen Begründungen, sind dabei schon lange zentrales Gut mystischer Traditionen. So werden unter anderem buddhistische Gedanken aufgenommen und im Lichte neuerer Forschungen beleuchtet.
Natürlich gibt es dabei aus den etablierten Wissenschaften Kritiker, die es sich nicht nehmen lassen, das Buch als unwissenschaftlich zu verätzen. Das könnte schon fast amüsant sein und als Zeichen dafür genommen werden, wie sie mit ihren Glaubenssätzen um Berechtigung kämpfen.
In diesem Zusammenhang findet sich abschließend zudem eine lesenswerte Schilderung der Schwierigkeiten, die mit dem rein technischen und logistischen Unterfangen, einen solchen Film zu drehen, einhergingen. Die Zweifel am Projekt, der Zeitdruck, das Ringen um eine Struktur und die pessimistischen Voraussagen Anderer, in diesem Falle etablierter Studios und Verleiher, sind wohl Begleiterscheinungen, die jedem bekannt sein dürften, der auf die ein oder andere Weise Neuland beschreitet. Was die Filmer und Autoren glücklicherweise nicht abhalten konnte. Es handelt sich also, im positiven Sinne, um ein äußerst beunruhigendes Buch und gemeinsam mit dem Film um einen vorläufigen Höhepunkt erkenntnistheoretischen Ringens eines Teils der Wissenschaftler um eine Neupositionierung menschlicher Existenz, der natürlich noch praktische Verhaltensänderungen nachfolgen müssten.