Montag, 11. Januar 2010
Bauer, Wolfgang et al., Das Lexikon des Dunklen, Arun Verlag: Uhlstädt-Kirchhasel 2006, Festband, 607 S., ISBN 3-86663-006-9, 26,00 €.
Ist man mit unbekannten Begrifflichkeiten konfrontiert oder ist einem der genaue Bedeutungsgehalt eines Wortes unklar, führt der Gang zum und der Griff ins Bücherregal, meist um in einem Lexikon nachzuschlagen. Für den Geisteswissenschaftler des Okkulten stehen verschiedene mythologische und religionswissenschaftliche Lexika zu Verfügung, Nachschlagewerke zu Symbolen oder aber die hervorragenden Werke „Lexikon der magischen Künste“ von Hans Biedermann und das „Lexikon des Geheimwissens“ von Horst E. Miers.
Der Arun Verlag hat den beiden letztgenannten Standardwerken nun ein weiteres Kompendium hinzugefügt, „Das Lexikon des Dunklen“, welches den Vergleich mit Biedermann und Miers nicht zu scheuen braucht.
Dabei wurde dem Projekt einiges an Widerstand entgegen gebracht. Verschiedene Vertreter des Verlagsgewerbes ließen es sich im Vorfeld des Erscheinens des Buches nicht nehmen, eindringlich vor einem solchen Buch zu warnen. Das Dunkle dürfe nicht thematisiert oder aber isoliert betrachtet werden, da es gefährlich wäre und so gestärkt würde. Diese sicherlich aus Unkenntnis entspringenden Ängste und Ressentiments zeigen deutlich, wie nötig ein solcher Band gerade heute ist. Das Dunkle wird noch immer als bedrohlich empfunden und bekämpft. Damit gehen Verdrängung und Ignoranz einher; Folgen können eine gefährliche Einseitigkeit mit einhergehender Intoleranz, sowie vielfältige geistige Verirrungen und Krankheit sein. Dem entgegen zu wirken, Mut zum Dunklen zu entwickeln, ist dieses Buch gewidmet.
Mit dem umfangreichen Nachschlagewerk ist es gelungen, vier der profundesten Kenner ihrer dunklen Materie zusammen zu bringen.
Da wäre als erster Wolfgang Bauer, Psychotherapeut und Autor zu den Themen Angst, Vampirismus, Besessenheit, psychotrop wirkende Pflanzen oder aber Lykanthropie.
Der nächste in der Reihe der Schreiber ist der 2006 vom irdischen Plan hinüber gegangene Sergius Golowin, der durch seine zahlreichen Veröffentlichungen zur Erforschung des eurasischen Schamanismus, zum inneren „geheimen“ Gehaltes von Märchen oder den Forschungen zu den Traditionen des fahrenden Volkes kein Unbekannter sein dürfte.
Ein weiterer Mitarbeiter an diesem Lexikon ist Christian Rätsch, dessen Bücher im Rahmen der Chela-Rezensionen des öfteren vorgestellt wurden, so dass an dieser Stelle auf eine Wiederholung verzichtet sein soll.
Schlussendlich zählen auch die Beiträge von Clemens Zerling zu diesem Nachschlagewerk. Als Verleger und Publizist gab der Berliner Bücher zur Schwarzen Kunst oder aber der Phänomenologie des Bösen heraus, zu Symbolik und zu autochthonem mitteleuropäischen Brauchtum.
Mit diesem Autorenquartett sind die besten Voraussetzungen geschaffen, dem Anspruch „Lexikon“ gerecht zu werden, was sicher nicht einfach ist.
Allein schon die Klärung dessen, was das Dunkle ist, bereitet ob des Subjektiven des Begriffes einiges an Schwierigkeiten oder, wie es im Vorwort zu lesen ist: „Die Grenzen des Dunklen sind dunkel.“ (S. 9) Neben den eindeutig dunklen Themen wie Tod, Teufel oder Schwarzen Messen zählen auch, so das Programm der Herausgeber, das Verborgene, das Unterirdische, das Unbegreifliche, Unvollendete, das Mysterium, der Schatten, die Sehnsucht, Triebe, Magie und Lust dazu. In der Terminologie eines großen deutschen Philosophen wird der dionysische Bereich des Lebens ausgeleuchtet, ohne den der apollinische nicht existieren würde.
Da es so scheint, als würde die Faszination am Dunklen seit einigen Jahren wieder größer, ist der Begriff kulturell begrüßenswert weit gefasst. Gesammelt ist hier erstmalig eine Vielzahl von Äußerungen aus dem Bereich des künstlerischen Schaffens durch die Jahrhunderte bis hin zu ganz aktuellen Entwicklungen verschiedener Subkulturen.
Die äußerst anregend geschriebenen Beiträge umfassen Begriffe wie Dark Wave, Black Metal und Gothic genauso wie Lovecraft, Absinth, Memento Mori oder aber die einst als Teufelklänge diffamierte Zwölftonmusik. Regisseure und Darsteller von und in Horrorfilmen sind genauso berücksichtigt wie die mittlerweile klassischen Stoffe von Medea, Lady Macbeth oder Faust. Viele Beiträge aus dem cineastischen Bereich könnten mittlerweile hinzukommen; hier befindet sich das Nachschlagewerk nicht unbedingt auf dem neuesten Stand im Gegensatz zu den Beiträgen von Rätsch aus dem musikalischen Schaffen.
Eine besondere Bereicherung stellen daneben die Begriffsklärungen dar, deren Gegenstand nicht auf den ersten Blick zum Dunklen zu gehören scheinen. Dass beispielsweise das Saxophon lange als diabolische Instrument galt, ist so sicher selten zu finden.
Immer wieder überzeugt das Werk durch überraschende Schlagworte und Zusammenhänge, die leserfreundliche Aufbereitung und eine anregende Bebilderung.
Die Liste der Vorzüge dieses Lexikons dunkler Überlieferungen, Einsichten und Lebensläufe könnte problemlos fortgeführt werden; es stellt durchaus eine Bereicherung für den Interessenten an dunkler Thematik dar und hat ohne weiteres das Potenzial zum Standardwerk, wenn es kontinuierlich aktualisiert wird.
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