Sonntag, 30. Mai 2010

Leadbeater, Charles W., Das Leben in der geistigen Welt, Aquamarin Verlag: Grafing 3. Aufl. 2000, Taschenbuch, 120 S., ISBN 3-922936-76-8, 9,90 €.


Charles Webster Leadbeater (1847-1934) war einer der einflussreichsten, schreibwütigsten und gleichzeitig umstrittensten Okkultisten am Ende des 19. und Beginn des letzten Jahrhunderts. Als führendes Mitglied der Adyar-Theosophischen Gesellschaft und Initiator der Liberal-Katholischen Kirche studierte er erst Theologie und war einige Zeit Priester der Anglikanischen Kirche. Dann erst wandte er sich der Theosophie zu, traf Helena Petrovna Blavatsky und musste während seiner Mitgliedschaft gar kurzzeitig die Adyar-Gesellschaft (Adyar nach einem Vorort von Madras, wo die TG seit 1882 ansässig war) verlassen, als seine Erziehungsmethoden im Madras-Prozess um Krishnamurti zutage kamen. Später wurde er wieder aufgenommen und nach Blavatskys Tod der Leiter der Esoteric Section oder Eastern School (ES) der Adyar-TG.
Die Theosophische Gesellschaft selbst war lange Zeit ein Faszinosum, von dem sich Okkultisten wie Franz Hartmann, Gustav Meyrink, Carl du Prel oder Carl Kiesewetter angezogen fühlten, um nur einige zu nennen. Langjähriger Leiter der deutschen Sektion war Rudolf Steiner, der dann 1912 seine Anthroposophische Gesellschaft gründen sollte.
Das vorliegende Werk "Das Leben in der Geistigen Welt", welches der Aquamarin Verlag mittlerweile in dritter Auflage wieder veröffentlichte, wurde in deutscher Sprache erstmalig 1913 unter dem Titel "Das Leben nach dem Tode" herausgebracht. Und der vormalige Titel drückt den Inhalt des Buches schon aus; es geht um eine der ältesten Fragen der Menschheit, die nach dem Wohin.
Dabei werden weniger die Prinzipien des Menschen oder die Prinzipien der Welt referiert, die in vielen theosophischen Werken eine zentrale Stellung einnehmen, sondern der Autor bleibt an der Erfahrung jenseitiger Welten nach dem physischen Ableben.
Aus welchen Quellen kommen nun diese Erkenntnisse, die Leadbeater schon zu Lebenszeiten zuteil wurden? Was Steiner später als Akasha-Chronik hochhalten sollte, tauchte bei Leadbeater als Ätherische Archive auf. In intensivster Beschäftigung zog Leadbeater seine Erkenntnisse aus eben diesen. Und hier schauend konnte der Autor auch dezidiert Auskunft geben, was den Menschen nach dem Tode erwarten wird. Da ist von wahren Tatsachen die Rede, dem Fegefeuer, der Himmelswelt, den vielen Wohnsitzen der Seele, von Schutzengeln, unsichtbar tätigen Menschen und der Hilfe für die Toten. Das heißt, dass eine Interaktion von Lebenden mit den Bewohnern der jenseitigen Welten, bei entsprechender Schulung, auch jederzeit möglich ist. Hier können eigene Forschungen anknüpfen.
Daneben wird der schmale Band von der Aufteilung in die physische, astrale, mentale und kausale Welt strukturiert; Gedanken, die sich in Hinduismus, Buddhismus, im esoterischen Christentum und in anderen Traditionen finden und mit denen der Magier mehr oder weniger praktischen Umgang pflegt. Es handelt sich also nicht unbedingt um etwas Neues, was bei dem Alter der Schrift auch erstaunlich wäre. Interessant ist vielmehr, wie klar und auf das Wesentliche komprimiert Leadbeater beschreibt und wo in der Nachfolge seiner und anderer theosophischer Schriften diese geschauten Erkenntnisse nachvollzogen wurden und an Einfluss gewannen. So betrachtet handelt es sich um einen Klassiker der Jenseits-Forschung, der auch heute noch aktuell ist.