Mittwoch, 8. September 2010

Zerling, Clemens, Lexikon der Pflanzensymbolik, AT Verlag: Baden - München 2007, Festband, SU, 336 S., ISBN 978-3-03800-218-5, 34,90 €.


Die Natur, die allnährende Große Göttin, ist in ihrem Reichtum gerade an vegetativem Leben die Grundlage der tierischen und menschlichen Existenz. Aus ihrer Flora stammen beispielsweise Nahrungs- und Heilmittel oder aber Meisterpflanzen, die den Zugang zu anderen Welten ermöglichen. Die vielfältige Bedeutung des Grünen Volkes für den Menschen kann schwerlich überbetont werden und eine zunehmende Anzahl an Veröffentlichungen der letzten Jahre bringt die Pflanze als Partner, Freund, Heiler und Lehrer wieder ins Bewusstsein.
Der Autor des vorliegenden Buches, Clemens Zerling, ist sicher kein Unbekannter für diejenigen, die sich für Publikationen der Themenkreise Kult- und Kulturgeschichte, Völkerkunde und Religionsgeschichte interessieren. Neben den Veröffentlichungen aus seiner Feder steht seine verlegerische Tätigkeit. So konnte beispielsweise das in mancher Hinsicht spektakuläre Werk von Johanna Wagner in den 1980ern in seinem Verlag, der in Berlin sitzt, erscheinen.
Clemens Zerling verfasste nun ein Lexikon der Pflanzensymbolik. Das Symbol ist nach dem Wortursprung eine Ableitung vom altgriechischen Verb symballein, welches zusammenwerfen meint. Die Bedeutungsgehalt verschob sich über Kennzeichen, Merkmal oder Zeichen von oder für etwas, hin zu einem sinnlichen Zeichen, welches eine sonst nicht fassbare Idee ausdrückt oder aber komplexe Zusammenhänge bzw. verschiedene Deutungsebenen eines Gegenstandes auf eben ein Symbol verallgemeinert. Damit wurde das Symbol zum Wahrzeichen und Sinnbild kollektiver Bewusstseinsinhalte. Und seit den Darstellungen in steinzeitlichen Grotten ließ und lässt der Mensch Pflanzen symbolisch sprechen, dem dieses Kompendium nun Rechnung trägt.
Vom Adonisröschen bis hin zur Zypresse finden sich hier die wichtigsten Kulturpflanzen unserer Region in Bild und Erläuterung versammelt. Der Autor strukturierte die einzelnen Artikel dergestalt, dass immer mit den botanischen Namen und Familien begonnen wird. Daran anfolgend finden sich die tradierten Volksnamen, die Blütezeit, eine Beschreibung der jeweiligen Blüte, eventuelle Auffälligkeiten und Heilwirkungen sowie die Grundbedeutungen als Symbol, die Grundcharakteristika und der Gehalt der Pflanze in der Blumensprache. Bei letzterer handelt es sich um eine einst in höfischen Kreisen Europas beliebte Kunst, die im 18. Jahrhundert aus dem Orient importiert wurde. Diese subtile Sprache (selam) wurde wahrscheinlich im spätantiken Persien entwickelt und umfasst ein Alphabet der Blumenarten, -farben und -arrangements. Und damit ist gerade einmal das Grundgerüst der einzelnen Artikel beschrieben. Viele der angeführten Pflanzen sind zudem christlich attributiert oder aber in Mythen und Märchen seit der Antike präsent. Entsprechend europäischer Kulturausbildung stehen die Inhalte griechischer, römischer, ägyptischer oder aber germanischer Überlieferungen im Zentrum der sehr unterhaltsam nacherzählten Geschichten zu den jeweiligen Pflanzen. Damit ist das Werk kein ethnobotanisches, sondern ein kulturgeschichtliches Kompendium zum Grünen Volk.
Da darf die paracelsische Signaturenlehre genauso wenig fehlen wie die Berücksichtigung von Planetenzuordnungen oder, wenn für die einzelnen Pflanzen verfügbar, die Zahlensybolik.
Zudem enthält dieser Band ein Stichwortverzeichnis, das es gestattet, unter verschiedenen Schlagworten quer durch die Artikel zu lesen. So findet man, folgt man beispielsweise dem Begriff Leere, den Röhriger Affodill als Symbol ebenjener Leere, genau wie das auch bei Weißkohl und Heidekraut der Fall ist. Daneben, ist zu lesen, empfiehlt der Heilpraktiker Dirk Albrodt die Essenz der Buchenblüte zur Unterstützung für Meditationen zu den Themen Leere, Tod und Sterben (2003). Andere Begriffe, wie Treue, Langlebigkeit oder Kraft bieten bei dieser Vorgehensweise abendfüllende Lektüre, da sie mit wesentlich mehr pflanzlichen Bezügen gesegnet sind.
Augenfällig sind die ganzseitigen Farbabbildungen, die neben kleineren Lithographien für eine ganze Anzahl der Pflanzen den Band illustrieren. Sie entstammen dem Choix des plus belles Fleurs (Paris 1833) vom Aquarellist Pierre Joseph Redouté, einem der Begründer der botanischen Pflanzenmalerei, dessen jeweils mehrbändigen Tafelwerke zu Lilien und Rosen die Höhepunkte des Schaffens sind.
Ergänzt wird dieses aufwendig bebilderte Lexikon von Clemens Zerling durch ein ausführliches Glossar, ein kurzes Verzeichnis der historischen Quellen wie Herodot, Plinius oder Pausanis und eine Bibliographie zur Fachliteratur.
So rundherum gelungen kann ein Lexikon sein.