Mittwoch, 8. September 2010

Sharma, Arvind, Advaita Vedanta. Erfahrung der absoluten Einheit, Lotos-Verlag: München 2006, Festband, SU, 160 S., ISBN 3-7787-8186-3,
19,95 €.


Gern als Höhepunkt der indischen Philosophie bezeichnet, sind die Lehren des Advaita Vedanta derzeit besonders durch Autoren wie Eckhard Tolle u.a. sehr populär geworden. Wer bei der Vielzahl der Derivate vedantischer Lehre den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen kann und den Sand kaum noch aus den Augen bekommt, ist mit diesem Buch gut bedient. Arvind Sharma ist Inder und Professor für Vergleichende Religionswissenschaft, vormals in Harvard und derzeit an der McGill University in Montreal, Kanada.
Die unterschiedliche Kategorisierung von Religion und Philosophie Indiens im Gegensatz zum Abendland arbeitet er einleitend heraus, bevor eine kurze Darstellung der Schulen indischen Denkens anfolgt. Dabei wird die variierende Anbindung der Lehrmeinungen an die Veden durchdekliniert sowie die divergierenden Sichtweisen zu Begriffen wie Wirklichkeit, Atman und Brahman. So wie historisch klassifiziert werden kann, lässt sich von jeder dieser Vorstellungen ein ähnliches Ordnungsschema ableiten, von dem aus der Gegenstand des Buches fassbar wird. Die Lehre von der „Nicht-Zweiheit“, die direkt auf den Veden (und hier auf den Upanishaden) fußt, postuliert dabei am radikalsten jegliche Form von Trennung als Irrtum. Ziel und Verwirklichung dieses Erkenntnisweges ist Jivanmukti, die Befreiung zu Lebzeiten.
Der Text ist in drei Teile gegliedert, die wiederum, entsprechend dem Erleben und Forschen des Autors, verschiedene Formen der Einordnung zum Gegenstand haben.
In einem ersten Teil nähert sich der Autor dem Advaita Vedanta also von den Schriften her. Einer der Höhepunkte von Sharmas Werk ist dabei sicherlich die Darstellung der exegetischen Leistung von Shankara (788-820) an den Upanishaden, die in der Herausstellung von vier bis fünf Schlüsselaussagen (Mahavakyas), je nach Lesart, gipfelt. Veranschaulicht werden diese großen Sätze mit einer Vielzahl von zitierten Dialogen aus den Upanischaden, welche die Methodik aufzeigen, wie bei der zentralen Gleichsetzung von Brahman und Atman vorgegangen wird.
Im zweiten Teil sind es verstandesgeleitete, in erster Linie erkenntnistheoretische Fragen und auf Logik basierende Antworten, anhand derer die Philosophie des Advaita Vedanta dargestellt wird. Von verschiedenen Erfahrungsbereichen des Bewusstseins ausgehend wird nachgefragt, was als letztendlich wirklich angesehen werden kann. Dabei kam schon Shankara zu dem Schluss, dass allein „universale, reine Existenz (oder reines Bewusstsein)“ nicht denkend widerlegt werden kann. Aus diesem Grunde kommt diesem im Advaita die Stellung der Höchsten Wirklichkeit als der zu, die durch alle Formen der Existenz örtlich und zeitlich hindurch fortbesteht. Die einzelnen Schritte, die auf logische Weise zu diesem Ergebnis führen, werden von Sharma verständlich nachvollzogen, bevor eine weitere Form der Annäherung ans Advaita Vedanta angepackt wird.
Im dritten und letzten Teil des Buches wird die Durchdringung des Themas von der Seite des Praktizierenden unternommen, so weit das in Worten ausdrückbar möglich ist. Der Autor selbst ist mit der meditativen Seite dieser Lehrart seit frühester Jugend wohl vertraut und zitiert im Angang von praktischer Seite gern und ausführlich kulturübergreifend aus den mystischen Traditionen. Besonderes Gewicht liegt hier aber auf den indischen Philosophen, wie Ramana Maharshi, Jiddu Krishnamurti und anderen.
Deutlich wird dabei, dass es immer die Schnittstelle zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit ist, auf der sich der Advaitin bewegt. Da Sprache hier als Mittler oftmals versagt, ist der gelungene Versuch Sharmas an dieser Stelle besonders zu begrüßen.
In seiner übersichtlichen Dreiteilung und inhaltlichen Kompaktheit eignet sich der schmale Band von Arvind Sharma sehr gut als Basis der Beschäftigung mit dem Advaita Vedanta, wie immer das Interesse des Lesers gelagert sein mag.