Freitag, 10. September 2010

Storl, Wolf-Dieter, Pflanzendevas, AT Verlag: Aarau 2007, Festband, SU, 262 S.,
ISBN 978-3-85502-763-7, 22,90 €.


Mittlerweile scheint es fünf vor zwölf für Mütterchen Gaia zu sein und quer durch alle weltanschaulichen Lager ist die Forderung nach einem bedachteren Umgang mit der Natur zu vernehmen. Meist handelt es sich um eine Version der Technokratie „light“, die da notbremsenartig propagiert wird. Alternativ zu dieser massenhaften, meist eher oberflächlichen Einsicht ohne die angemessene Nachfolge von vernünftigem Handeln, gab und gibt es in langer Tradition Menschen überall auf der Erde, die der Umwelt entweder nie entfremdet waren oder sich bewusst ihren Zugang zu Flora und Fauna wieder erarbeitet haben.
Besonders in den Kulturen, in denen professionelle Vermittler zwischen Mensch und der geistigen Dimension der Natur ihrer Aufgabe nachgehen, wird um die Bedürfnisse von Pflanze und Tier noch gewusst. Der Fähigkeit, sich die Pflanze zum Partner zu machen, von ihr zu lernen, mit ihrer Hilfe zu wachsen und zu heilen; dieser Fähigkeit ist das hervorragende Buch von Wolf-Dieter Storl gewidmet, das nun schon in der vierten Auflage erschienen ist.
Der Kulturanthropologe und Ethnobotaniker lebt als freischaffender Autor und Seminarleiter im Allgäu, nachdem er an verschiedenen Universitäten in den USA, in Indien und in Europa gelehrt hat. Dabei widmete er bisher eine stattliche Anzahl seiner Bücher den Pflanzen.
Diese Beschäftigung über Jahre bleibt das gesamte Werk über augenfällig, wenn Storl virtuos mit Geschichten und Geschichtchen aus den verschiedenen Teilen dieser Erde und verschiedenen Zeiten kurzweilig und informativ jongliert.
Als etwas ältere Beispiele stehen da für einen alternativen Umgang mit den Pflanzenwesen die Wundergärten des schottischen Findhorn und des schweizerischen Aigunes Verdes. Ob es die Bemalung der Gartenhäuser mit Göttern, Elfen, Zwergen oder ähnlichen Wesen gewesen ist, der direkte mediale Kontakt zu Pflanzendevas oder aber die seltsamen Präparate unter Verwendung von Bergkristallen oder in Tierorgane gehüllte Kräuter, die in die Erde gegeben wurden: Beide Orte sind für eine landwirtschaftliche Nutzbarmachung eigentlich völlig ungeeignet und an beiden Standorten konnten Pflanzen in Anzahl, Größe und Vitalität gezogen werden, dass der Fachwelt die Münder offen blieben. Diese Beispiele sind gelebte Hinweise auf ein Potenzial im Umgang mit Pflanzen, das aus einer Zusammenarbeit mit den Pflanzenwesen resultiert. Ein wichtiger Bestandteil jüngerer menschlicher Kulturgeschichte, das „Macht euch die Erde untertan“, weicht hier einer fruchtbringenden Partnerschaft von Mensch und Pflanze, die Schule machen könnte.
Dabei figurieren diese Beispiele „lediglich“ als Ausgangspunkte für die Monographie; der Reigen wird damit also erst eröffnet. Der Leser kann sich auf eine witzige Domestizierungsgeschichte der menschlichen Rasse aus Sicht der Pflanzendevas gefasst machen und es erwarten ihn kenntnisreiche und skizzenhafte Einführungen in die Schau von Sehern wie Maria Treben, Edward Bach oder aber Rudolf Steiner, die in direktem Kontakt mit dem grünen Volk standen.
Mit besonderem Interesse geht der Autor den vor- und außerchristlichen Traditionen in ihrem Pflanzenwissen nach. Germanische, keltische, indianische und indische Wege der Kommunikation und Arbeit mit den Pflanzenwesen wären da zu nennen, um nur einige Überlieferungen heraus zu greifen, die Wolf-Dieter Storl studiert hat und die Bestandteil der umfassenden Sicht in diesem Buch sind. Vieles von seinem Wissen, das wird nicht zuletzt durch den anekdotenhaften Stil deutlich, konnte Storl im persönlichen Austausch erwerben. So kam es beispielsweise während seiner Zeit in den USA zu Begegnungen mit dem indianischen Medizinmann Bill Tallbull, dem Storl die Bedeutung der eingeführten europäischen Pflanzen näher brachte, während er über die lokale Fauna und den traditionellen Umgang mit dieser belehrt wurde.
Neben dem inspirierten und inspirierendem Inhalt der Geschichten ist es vor allem auch die Art des Erzählens, die es einen bedauern lässt, wenn die letzten Seiten des Buches langsam erreicht sind, auch wenn sich abschließend mit den meditativen Anleitungen zur eigenen Annäherung an die Pflanzendevas noch ein Höhepunkt findet.
Das Buch ist eine Klasse für sich, und da Prophetie nicht die Aufgabe von Rezensenten sein muss, seien diesem Werk die weiteren Auflagen wegen größter Nachfrage einfach gewünscht.