Der Inhalt des Buches folgt einem an sich simplen Konzept: Man nehme eine prosperierende und möglichst alte esoterische Strömung oder Tradition und suche die Protagonisten auf, die sich das Thema auf die Fahnen geschrieben haben. Mit diesen unterhalte man sich und fertig ist der hier besprochene Band.
Die Rede ist vom Schamanismus, der nun seit mehr als 20 Jahren ein ungebrochenes Revival erfährt. Mit dem stetig wachsenden Interesse an schamanischer Erfahrung hat sich das Angebot vielfältig ausdifferenziert: Neben den Lehrern, die in Kulturen mit lebendiger schamanischer Tradition groß geworden sind, waren es zunehmend die Vertreter des Core-Schamanismus in der Folge von Michael Harner und begeisterte Castaneda-Leser, die den Ansturm auf schamanisches Erleben initiiert haben.
Hier einmal eine Bestandsaufnahme zu unternehmen liegt eigentlich nahe. So hat sich die Autorin, Hillary Webb, nachdem sie selbst einschlägige Seminarerfahrungen gesammelt hat, auf den Weg gemacht und einige der aktivsten und bekanntesten Vertreter des zeitgenössischen Schamanismus interviewt. Dabei handelt es sich ausschließlich um Menschen, die mit Seminaren in der westlichen Welt und hier besonders in den USA erfolgreich unterwegs sind. Sowohl Aktive nativer Traditionen als auch solche der core-schamanischen Bewegung in ihren vielen Ausrichtungen finden sich. Viele der Interviewten sind selbst viel gelesene Autoren (bspw. Tom Cowan, Tenzin Wangyal Rinpoche, Sandra Ingerman oder Serge Kahili King). Nach dreieinhalb Jahren hatte Webb dann das Material für diesen lesenswerten Band um Seelenflug und Heilung zusammen: Das Buch enthält 23 Interviews, die in der Regel zehn Seiten nicht übersteigen. Und dieser Überblick bietet dem interessierten Leser viel Interessantes:
Da ist der ehemals ultra-orthodoxe Rabbi Gershon Winkler, der in den 80ern in den Wald zog und damit begann, Talmud und kabbalistische Schriften nach schamanischen Ideen zu durchforsten. Dabei stieß er auf einen reichen Fundus an Textstellen, die von einer innigen Verbindung mit der Erde erzählten und von Seelenreisen, wie sie im Schamanismus überall anzutreffen sind. In der Folge postulierte er eine alte und vergessene schamanische Tradition innerhalb des Judentums, die er erkundet und deren Lehren er unterrichtet.
Oder Simon Buxton, der Vertreter einer wenig bekannten Einweihungstradition ist, die man mit Bienenschamanismus umschreiben könnte. Aus Großbritannien kommend werden Bienen in dieser Linie als die ältesten Begleiter der Menschheit gesehen; es geht um die Freundschaft zu Bienenvölkern, um Pollen und Honig und um Initiationsrituale mit Bienengift. Wie bei den Bienen im Tierreich dominieren Frauen diese spezielle Form des Schamanismus.
Und das sind nur zwei willkürlich heraus gegriffene Beispiele der im Buch gegebenen Vielfalt: Daneben gibt es Einblicke in asiatische, afrikanische und mittel- bzw. südamerikanische Formen des Schamanismus. Die Beiträge von Tenzin Wangyal Rinpoche, von Malidoma Patrice Somé oder von Oscar Miro-Quesada geben intensive Schlaglichter ab, die die jeweils betreffende Tradition in gebotener Kürze für einen ersten Eindruck hinreichend ausleuchten.
Verständlich, dass die Qualität der Aussagen in den Interviews nicht gleichbleibend hoch sein kann. Neben vielen kundigen Perlen ist auch Einges dabei, das über den allgemein-esoterischen Gemeinplatz nicht hinausreicht. Aber auch das kann als Vorteil dieses insgesamt anregenden Buches durchgehen: Der Leser hat sich mit diesem Band eine guten Überblick verschaffen können, eine Orientierung, und kann davon ausgehend weiter forschen, praktisch und/oder theoretisch. Wie es beliebt.