Donnerstag, 22. Dezember 2011

Semple, Gavin W., Austin Osman Spare. Kunst und Magie, Edition Roter Drache: Rudolstadt 2011, Festband, 136 S., ISBN 978-3-939459-46-0, 18,00 €.


Der britische Künstler Austin Osman Spare (1886-1956) kann als einer der bedeutendsten Magier und Mystiker des 20. Jahrhunderts gesehen werden, und das sicherlich zu Recht.

Meist reduziert auf die Entwicklung der simplen Technik der Sigillenmagie, die heutzutage Bestandteil fast jeden magischen Lehrbuchs ist, wird häufig übersehen, dass Spare wesentlich mehr zur Entwicklung der Magie beigetragen hat. Wieviel, das ist in Gänze noch gar nicht absehbar, da erst jetzt, fast 50 Jahre nach seinem Tod vernünftig editierte Ausgaben seine Werke erscheinen und es erste hilfreiche Kommentierungen von Praktikern gibt, die sich entsprechend lange mit dem teilweise doch kryptischen Text- und Bildkonvolut befasst haben. Trotz dieser widrigen Umstände ist die Anzahl der Anhänger Spares in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen.

In dem in diesem Band enthaltenen Essay „Wer hätte jemals so gedacht?“ werden vorerst fünf Hauptkomponenten identifiziert, die als Spares originäre Beiträge zur Magie gesehen werden können: der Mystizismus der Kiâ, die Zauberei der Sigillen, die Technik der Todeshaltung, eine formulierte Psychologie des Glaubens und das Konzept der Selbst-Liebe.

Zeit seines Lebens arbeitete Spare an der Formulierung seiner Zos-Kiâ-Mythologie, verbunden mit der praktischen Erforschung der Dazwischen-Seins und des Weder-Weder.

Natürlich gab es bei derartigen Aktivitäten im London der damaligen Zeit auch Berührungspunkte mit einem anderen großen Magier. Eine Verbindung zwischen Aleister Crowley und Spare bestand ungefähr ein Jahr, solange Spare Anwärter in Crowleys Argenteum Astrum Anwärter war. Crowley entfernte Spare nach einem Jahr aus der Mitgliederkartei, obwohl er den Künstler schätzte.

Auch den biografischen Rahmen liefern die Texte von Semple mit: Nach einer vielversprechenden Karriere als Wunderkind in der Kunst und der frühen Begegnung mit der mysteriösen Mrs Paterson lebte Spare den größten Teil seines Lebens in ärmlichen Verhältnissen, bis er 1956 an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs verstarb. Ein vielleicht bisher wenig bekannter Fakt seines Lebens ist seine Faszination für Pferderennen und -wetten. Dazu entwarf Spare surrealistische Karten, die für Wetten verwendet werden sollten. Die beigefügte Kurzanleitung aus Spares Feder ist Bestandteil des Bandes und fasst in Kürze die Konzepte von der Wirkung des Unterbewusstseins und des Glaubens zusammen, die in anderen seiner Werken sehr viel ausführlicher dargestellt sind.

Der Autor, Gavin W. Semple, kann getrost als Spare-Kenner gelten. Die im vorliegenden Band versammelten Essays sind zwischen 1995 und 2004 in England veröffentlicht worden und repräsentieren die vorläufigen Ergebnisse der Recherchen des Autors, mit denen er 1988 begann. Zusammen mit Robert Ansell gründete Semple den Fulgur Verlag, einen der zur Zeit interessantesten Magie-Verlage Englands. Ursprünglicher selbstgewählter Auftrag der beiden ist es gewesen, Spare einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Neben der biografischen Rekonstruktion wurden Spares Texte in angemessener Form veröffentlicht und eine Vielzahl seiner Bilder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der vorliegende Band enthält dementsprechend auch eine Reihe von Spares Zeichnungen, die zu einem großen Teil im Text erläutert sind, sind doch bildnerische Kunst und magisches Wissen in Spares Werk eng miteinander verzahnt.

Eines der Geleitworte zu diesem Band stellte der mittlerweile verstorbene Kenneth Grant zur Verfügung, der Spare 1948 kennen lernte und der bis zu dessen Tod eine enge Freundschaft zu ihm unterhielt. Grant integrierte die Lehre von Zos und Kiâ in seine New Isis Lodge und nimmt vielfach Bezug auf Spare in seinen Werken.

Die Texte selbst sind zum größten Teil von Jan Fries aus dem Englischen übertragen worden, der selbst mit Spares Methode praktisch umgeht. Das kommt dem Buch zugute, das vielfach neben das Originalzitat eine Erläuterung stellt, um in die Tiefen der Welt von Spare einzuführen. Besonders dem Book of Pleasure (1913) und The Focus of Life (1921) kommt viel Aufmerksamkeit zu. Zudem enthält der Band noch einen wenig bekannter Text Spares, Von Geist zu Geist und Wie.

Der Edition Roter Drache darf gratuliert werden: Wieder einmal stellt der kleine Verlag aus Rudolstadt seine Einzigartigkeit unter Beweis wenn es darum geht, anspruchsvolle magische Themengebiete mit ganz hervorragenden Publikationen zu illustrieren.