Mittwoch, 8. September 2010

Strassman, Rick, DMT. Das Molekül des Bewusstseins, AT-Verlag: Baden-München 2004, Hardcover, 464 S., ISBN 3-85502-967-9; 25,90 €.


Könnte die menschliche Fähigkeit zu mystischem Erleben eine Sache der Biochemie sein?
Mit dieser Frage setzte sich Rick Strassman in seinen Forschungen auseinander. Und nicht nur die Ergebnisse seiner Studien können nun in dem Buch „DMT- Das Molekül des Bewusstseins“ nachgelesen werden. Beginnend mit dem ersten Interesse des Autors an psychoaktiven Substanzen, über den anfolgenden nervenaufreibenden Papierkrieg mit universitätsinternen Gremien, DEA und FDA, über die detaillierte Schilderung der Versuchsreihen bis hin zu den Auswertungen und Schlussfolgerungen erzählt Strassman ausführlich von jedem Schritt seines faszinierenden Unterfangens.
In den Jahren der Untersuchungen (1990-1995) war er klinischer Psychiater an der Universität von New Mexico in Albuquerque. Nach 20 Jahren des Forschungsverbots hat er es durchsetzen können, fünf Jahre lang mit Freiwilligen Versuche mit DMT anstellen zu können. DMT (Dimethhyltryptamin) ist einer der unbekannteren psychedelischen Stoffe, der in der Natur in verschiedenen Pflanzen und Tieren vorkommt. Als solcher ist DMT einer der Wirkstoffe des Ayahuasca, welches südamerikanische Schamanen für ihre Visionsreisen nützen. Und es kommt als endogener Stoff im menschlichen Körper vor. Strukturell handelt es sich um ein einfaches Molekül, dass Ähnlichkeit mit dem Serotonin und dem Melatonin aufweist.
Eine der Thesen Strassmans, der es mit Hilfe der Untersuchungen näher zu kommen galt, war es, dass endogenes DMT in der Zirbeldrüse gebildet wird und dem Menschen in den extremsten Situationen seiner Erfahrung (im Augenblick der Geburt oder aber des Todes) zur Verfügung steht. Auch eine Verbindung von Schizophrenie und gestörtem DMT-Haushalt vermutete er.
Zunächst galt es jedoch, Freiwillige zu finden, geeignete Räumlichkeiten und eine Versuchsanordnung zu entwerfen, die verlässliche Aussagen über die Wirkungsweise des Stoffes machen könnte. Nachdem diese Voraussetzungen gegeben waren, untersuchte Strassman das Verhältnis von Dosis und Wirkung, erkundete eine etwaige Toleranzentwicklung und forschte experimentell an der Frage, an welchen Serotoninrezeptoren genau DMT seine Wirksamkeit entfaltet. Und im Zusammenhang mit der eingangs angeführten Frage ließ sich Strassman das Erleben seiner Probanden detailliert schildern. Diese Berichte machen nach einer biochemischen Einführung und der Beschreibung des Parcours durch die Ämter den Hauptteil des Buches aus.
Und tatsächlich: viele der Probanden erlebten mystische Zustände, in denen Zeit, Raum und Ego-Begrenzung aufgehoben waren. Die meisten von ihnen beschrieben noch Jahre später diese Erlebnisse als die wichtigsten in ihrem Leben. Aber auch völlig unvermutete Begegnungen stellten sich ein. So wurde immer wieder von Kontakten mit Wesen anderer Ebenen berichtet, die größtenteils den Charakter dessen trugen, was Menschen berichten, die sich von Außerirdischen entführt glaubten. Gibt es also einen Zusammenhang zwischen dem endogenen DMT und Entführungserlebnissen? Eine auf der Quantentheorie fußende Annahme von Paralleluniversen ist eines der vielleicht wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchungen. Auch die als Nahtodeserlebnisse beschriebenen Erfahrungen wurden von den Probanden erlebt, hauptsächlich bei höheren Dosen DMT, welches in jedem Fall intravenös injiziert wurde.
Mit den verschiedenen Schilderungen war es allerdings problematisch, Schlussfolgerungen zu ziehen ohne weiterführende Studien zu betreiben. Das Material war für Strassman inhaltlich schwer zu strukturieren und die biochemischen Ergebnisse hätten noch weitaus aufwendiger gestaltet sein müssen, um mehr als konkretisierte Vermutungen zum endogenen DMT zu erhalten. Aber es gibt Vorschläge für zukünftige Versuchsreihen, da zumindest klar geworden ist, dass bei breiterer Wiederaufnahme der Forschung mit psychoaktiven Substanzen jede Menge Daten erhoben werden müssten, um zu verlässlichen Ergebnissen zu kommen.
1995 stellte Strassman dann seine psychedelischen Forschungen nach einigen Rückschlägen ein. Diese ließen ihn immer wieder den Sinn derart isolierter Studien hinterfragen, da keiner seiner Freiwilligen, in Bezug zu den tiefen mystischen Erfahrungen, eine Umorientierung in seinem Leben vollzog. Einen monokausalen Zusammenhang zwischen mystischer, durch Drogen induzierter Erfahrung und der Veränderung der Lebensumstände gibt es nicht. Das ist nur einer der großen Frustrationspunkte des Buddhisten Strassman, der idealistisch geglaubt hatte, dass derartige Erfahrungen den Menschen tiefgreifend verändern müssten. Im Zusammenhang mit spirituelle Disziplin läge die Sache vermutlich anders, so der Autor.
Mit Strassmans mutigen Untersuchungen werden einige Fragen beantwortet, andere offen gelassen und eine Vielzahl neuer aufgeworfen. Die Forschungen mit DMT, dem Bewusstseinsmolekül, könnten also fortgesetzt werden.