Mittwoch, 8. September 2010

Huettl, Andreas/König, P.R., Satan. Jünger, Jäger & Justiz, Kreuzfeuer Verlag: Großpösna 2006, Paperback, 416 S., ISBN 978-3-937611-01-0,
18,00 €.


Satanismus ist ein polarisierendes Reizthema, besonders, wenn er in der Presse im Zusammenhang mit Straftaten immer wieder auflagenmehrend in Szene gesetzt wird. Das scheint sich zu lohnen, wie immer neue Werke von selbsternannten Experten und Journalisten zeigen, die nach dem Prinzip „Je reißerischer und abscheulicher, desto besser“ publizieren.
Andreas Huettl hat sich nun mit einigen der „satanistischen“ Fälle in den letzten Jahren beschäftigt. Er ließ sich die entsprechenden Ermittlungsakten zukommen und studierte diese sorgfältig. Er korrespondierte mit dem Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern, den Gerichtshöfen und Polizeidirektionen. Von satanistischen Straftaten keine Spur. Selbst so spektakulär vermarktete Fälle wie der „Satansmord von Witten“ werden bei genauerem Hinsehen zu so etwas wie Theaterinszenierungen, zumindest was den angeblich satanistischen Hintergrund angeht. Daneben arbeitete der Leipziger Anwalt die (zweifelhaft) heraus stechenden „Enthüllungswerke“ der letzten Jahre auf und findet auch hier wieder nichts an Faktizität.
Aber immerhin haben diese stereotyp vorgebrachten Anwürfe Tradition, wie Huettl aufzeigt: Mord und Kindesmissbrauch wurde den frühen Christen und später, nach deren Etablierung, von diesen wiederum den Juden unterstellt. Zu einigen recht zeitnahen Fällen (gemessen an den letzten 2000 Jahren) hat Huettl die entsprechenden juristischen Publikationen studiert und skizziert diese kurz. Zudem wird auf die bestehende Rechtslage gründlichst eingegangen und gelegentlich hysterisch geäußerten Schreien nach einer Gesetzgebung gegen satanistische Straftaten eine klare Abfuhr erteilt.
Diese juristische Diskussion in den ersten (Experten 1 und 2) und letzten Kapiteln ist unglaublich spannend und hält den Bezug zum Buchtitel unbedingt. Wie auf dem Buchrücken versprochen: „Eine interdisziplinäre Betrachtung zu Satan und dessen Beziehung zu den Massenmedien, der Polizei und den Gerichtshöfen.“
Etwas unglücklicher, euphemistisch ausgedrückt, fällt jedoch das viel zu weite Teile des Buches einnehmende Gespräch zwischen Huettl und seinem Ko- Autoren Peter-Robert König aus. Das mag an der Unkenntnis der Ordenslandschaft und Königs seitens Huettls liegen, der diesen scheinbar erst im Zuge seiner Recherche und dann während der Entstehung des Werkes kennen lernte. Und ihm viel Platz einräumt.
P.- R. König ist in seinem Element. Als altgedienter Sammler von Informationen (manche sagen auch Klatsch) aus und um Logen und Orden brilliert er hier wieder in altbekannter Form. Wissenschaftlich ist das sicher nicht, obwohl er gern die Umsetzung ethnologischer Methodik für sich in Anspruch nimmt. Schließlich ist er ja „Mitglied“ in den meisten Verbindungen, über die er sich auslässt. Wie aus den eigenen Ausführungen von Herren König zu schließen ist, besteht für ihn die Mitgliedschaft auch weiter, wenn diese Gesellschaften es selbst ausdrücklich nicht mehr wünschen sollten. Es gilt das geschriebene Wort, d.h. die Urkunden, die Herr König sammelt, und die von recht unterschiedlicher ästhetischer und geistiger Qualität sind. Gleich an dieser Stelle muss eine richtigstellende Passage eingefügt sein:
Herr König hatte und hat, entgegen seinen Behauptungen, keine Grade der Fraternitas Saturni inne. Was ihm eigentlich auch klar sein müsste, wenn er die Orden, über die er schreibt, so gut kennen würde, wie er behauptet. Als wohlmeinende Hilfestellung sei er auf die abgebildete „Urkunde“ hingewiesen, und dort auf die Aussteller. Wie er selbst an anderer Stelle ausführt, ist keiner der Ausstellenden zum Zeitpunkt der Ausfertigung Mitglied der Loge FS gewesen. Und das schon seit Jahren nicht. Wie sollen diese dann in irgendwelche Grade der FS initiieren können? Erschwerend, da von Unruhe stiftendem Potential, sind die auf dieser „Urkunde“ angegebenen „Rechtstitel“, die von der FS weder vergeben wurden noch werden. [Die FS informierte zu diesen käuflichen „Urkunden“ an anderer Stelle.] Das ist völliger Unsinn. Hier sitzt Herr König fragwürdigen Informanten auf, die er sich an anderer Stelle allerdings selbst nicht zu schade ist, verächtlich zu machen. Er redet dabei von ich-schwachen Personen, bürgerlich biederen und verklemmten Existenzen etc.pp..
Nun ja, die enttäuschten Herzen wird es wie überall immer geben, Konflikte untereinander sicher auch und als lachender Dritte, als der er sich augenscheinlich fühlt, scheint Herr König ja sehr begabt, Kommunikation mit Profilneurotikern in die Vergrößerung seines Archivs umwandeln zu können. Dazu Gratulation. Aber das schweift vom Buch ab.
Aus seinem über Jahrzehnte zusammengesammelten Material kondensiert er also wieder einmal das, was er für nötig hält, um Andreas Huettl und den Leser über die Orden und Logen aufzuklären, in denen Satanismus gar nicht vorkommt. In, nach eigenen Aussagen von Freud inspirierter, küchenpsychologischer Manier eigener Rezeptur wird dann lächerlich gemacht, was die Seiten aushalten.
Diese Verächtlichmachung ist unwürdig und besonders deutlich in der Reduktion der Person Crowleys auf einen in Dampfbädern Sperma verzehrenden Homosexuellen, dessen magisches System in ebendiesen Praktiken ihr Zentrum findet. Hier unterscheidet sich König, in einem vielfach auf Unterstellungen fußendem Argumentationsstil und in kleingeistigen Werturteilen nicht von den Menschen, von denen er sich mit Drohungen umschmeichelt fühlt und denen er genau diese Umgangsformen zum Vorwurf macht.
So verläuft das Gespräch zwischen beiden Autoren über weite Kapitel (die hier Grade heißen...) recht eintönig. König dominiert im Schwelgen in seiner unübertroffenen Sachkenntnis, wobei dann wieder die in extenso praktizierte Beschäftigung mit Okkultgruppen und -orden für dieses Buch ad absurdum geführt wird, denn an mehreren Stellen geben beide Autoren zu, dass es in den genannten Gruppen keinen Satanismus gibt. Irgendwie gegenläufig zur wohlmeinenden Intention von Huettls Buch, der davon viel zu viel aus der Hand gibt.
So zerfällt dieser Text in zwei Teile. Der erste, für deren Autorschaft sich Andreas Huettl verantwortlich zeichnet, ist äußerst informativ und räumt auf sachliche Art fundiert mit häufig kolportierten Gräuelgeschichten auf. Mehr aus der Feder von Huettl und weniger der selbstherrlichen Ausbreitung von Königs Genius hätten dem Werk gut getan. Was letzterer beiträgt, drückt das Niveau des Buches auf eine „Okkult-Gala“ und bedient eher voyeuristische Interessen und den selbstdarstellerischen Drang des Ko-Autors.
Vermutlich hat Herr König ein Problem; schade für das vorliegende Buch, dass das so viel Platz einnehmen musste.