Montag, 4. Januar 2010

Narby, Jeremy, Die kosmische Schlange. Auf den Pfaden der Schamanen..., dtv Verlag: München 2004, TB, 268 S., ISBN 3-423-34080-0, 9,50 €.


Es bedurfte zweier Jahre bei den Ashaninca im Amazonasgebiet Perus und der Bekanntschaft mit Ayahuasca, um das rationale Weltbild des Autors zu erschüttern.
Anfänglich war der feldforschende Anthropologe Jeremy Narby eher an ökologischen und politischen Fragen der Region und ihrer Bewohner interessiert. Im Zuge der Katalogisierung von Heilpflanzen, bei der er auf die Hilfe der ortsansässigen Schamanen angewiesen war, stieß er sich immer wieder an der Behauptung dieser ayahuasqueros und tabaqueros, der Regenwaldfauna mit Hilfe ihrer halluzinogenen Pflanzen ihr beeindruckendes Heilwissen abgelauscht zu haben.
Narby entschloss sich zur Einnahme von Ayahuasca und erlebte eine intensive Vision kosmischer Schlangen, wie sie in diesem Zusammenhang weithin beschrieben worden ist. An sich ist das nichts Besonderes, außergewöhnlich und verschlungen sind die Überlegungen, die der Autor daran anschließt.
Nach einer Abrechnung mit den methodologischen Schwächen der Anthropologie von Tylor bis Geertz begibt er sich in die für ihn artfremden Gefilde der Molekularbiologie. Nach der Entwicklung des „stereoskopischen“ Blicks (schamanisches Wissen und molekularbiologische Erkenntnisse werden gleichzeitig im Blick behalten), versucht Narby, das (Doppel)Schlangenmotiv, das er nun in den Mythologien verschiedenster Völker aufspürt, mit der Doppelhelix der DNS in Übereinstimmung zu bringen. An den Mühen, die es kostet, eingefahrene Denkmuster zu verlassen, lässt uns der Autors genauso teilhaben, wie an seiner phantastischen Reise durch Schlangenwelten und biologische Journale. Diese führt Narby endlich zur Identifizierung des Ursprungs schamanischen Wissens als der DNS, die er, geleitet durch seine Intuition und analoges Denken vollzieht.
Damit nun ist die These formuliert, für die sich im Folgenden eine Vielzahl von Hinweisen finden lässt. Schamanen und Biologen bestätigen sich gegenseitig. Während erstere seit einigen Tausend Jahren den direkten Weg benutzen, sich also in ihrem visionären Erleben auf molekularbiologischem Niveau bewegen und so ihr umfassendes Wissen gewinnen, können letztere diese Erkenntnisse bisher kaum ansatzweise unter Verwendung aufwendiger Labortechnologie nachvollziehen.
Timothy Leary schrieb, dass der DNS-Code die miniaturisierte bewusste Essenzweisheit des Lebens ist. Narby folgend hüten Schamanen Methoden, die direkten Zugang zu dieser Weisheit eröffnen und denen die Naturwissenschaft mit ihren Mitteln hoffnungslos unterlegen ist.
Dabei ist Narby bemüht, in jedem Fall wissenschaftlich zu bleiben, was ihm trotz einiger Verknappungen in der molekularbiologischen Darstellung gelungen ist. (Allein der wissenschaftliche Apparat des Buches kann für einen geglückten Versuch stehen.) Und Narbys Überlegungen sind so beweisbar oder widerlegbar, wie wissenschaftliche Thesen im Allgemeinen; alles hängt von der Anerkennung der Vorannahmen ab. An keiner Stelle setzt sich der Autor in Widerspruch zur Biologie, auch wenn er teilweise (noch) randexistente Hypothesen rezipiert, wie die der gelenkten Panspermie von Francis Crick.
Neben der fesselnden Darstellung ist das einer der großen Vorteile dieses Buches. Die Gleichsetzung von DNS und kosmischer Schlange als Hüterin des Wissens, die mit dem stereoskopischen Blick gelungen ist, könnte der Behäbigkeit institutionalisierter Wissensproduktion auf die Sprünge helfen und zur Begehung weiterer unkonventioneller Wege einladen.
In diesem Sinne: mehr Narbys braucht die Wissenschaft!