Donnerstag, 31. Dezember 2009

Mason, Asenath, Das Buch Mephisto. Ein Grimoire des Linkshändigen Pfades, Edition Roter Drache: Rudolstadt 2006. 80 S., ISBN 3-939459-02-X, 10,00 €.


Nachdem mit The Book of Mephisto bereits eine englischsprachige Ausgabe in der Edition Roter Drache veröffentlicht wurde, ist dieses kleine feine Werk nun auch in deutscher Sprache erhältlich.
Und wie der Titel es verspricht, ist dieses Buch ausschließlich einer Entität gewidmet: Mephistopheles.
Ausgangspunkt der Forschungen von Asenath Mason zu und um Mephistopheles ist sein Erscheinen in der faustischen Tradition. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den beiden exponiertesten Literaten dieser Überlieferungslinie: Christopher Marlowe und Goethe. Aber auch neuere Werke, wie Michail Bulgakows Der Meister und Margarita werden von Asenath Mason berücksichtigt. Die Autorin führt Mephistopheles aus dieser Sichtweise ein und seziert ihn nach seinen verschiedenen, mal explizit, mal implizit ausgesprochenen Funktionen und Erscheinungsweisen. So kann Mephistopheles als Initiator, Lehrer und Wegweiser des Linkshändigen Pfades verstanden werden. Er ist Widersacher, Mittler zwischen Mensch und Sitra Ahra, Herr der Schatten und der Schwarze Mann des Sabbats. Zudem kann er als Drache verstanden werden, denn, so ist zu lesen, erschien er dem Faust einmal in dieser Gestalt.
Zudem sind verschiedenste Erscheinungen, die mit Mephistopheles einhergehen, untersucht, so im Zusammenhang mit dem Hexensabbat das Auftauchen von häufig beschriebenen Begleitern: Incubus und Succubus. Als Mittler hingegen erscheint er mit den Eigenschaften des Tricksters, was die Autorin durch Parallelen mit Hermes/Merkur aufzeigen kann. Weitere spannende Überlegungen findet Mason im Vergleich des yezidischen Melek Taus mit Mephistopheles.
Weitere Wege der Annäherung bestehen in tiefenpsychologisch inspirierten Denkübungen, die sich um die Schattenseite des Menschen drehen. C. G. Jung gab für diesen Teil des Buches die Inspiration. Mephistopheles erscheint hier als Begleiter (psychopompos), gilt es die Finsternis mit Erkenntnis zu durchdringen und dann in Kenntnis dieser dunkle Seite diese auch zu integrieren.
Diese Geschichten des Doktor Faust klopft die Autorin geistreich auf ihren initiatorischen Gehalt im Allgemeinen und auf den einer schamanischen Initiation im speziellen ab. Bei Marlowe wird Faustus nach eine 24-jährigen Vorbereitungszeit von den Dämonen ergriffen und zerfetzt, ähnlich wie es in schamanischen Kulten üblich ist. Der Autor bleibt dem Publikum schuldig, ob diese Initiation in eine gottgleich kreative Neuexistenz führt. Zumindest ist das Zerreißen des Protagonisten als Vollendung der Einweihung einleuchtend, die Goethe in seiner Version auslässt. Hier geht die Geschichte anders aus. Die Initiation des Doktor Faust wird nicht vollendet, nein, der Herrgott errettet ihn und nimmt ihn zu sich. Aber das ist eine andere Geschichte...
Mephistos Lehrerschaft dem Menschen gegenüber beginnt dabei klassisch mit einem Pakt, den der Mensch mit seinem Blut besiegelt, um von Ersterem den Zugang zu den von Gott verborgenen Geheimnissen zu erhalten. Dabei handelt es sich einmal mehr um den Kern des linkhändigen Pfades: dieses göttliche Wissen zu erkennen und zu nutzen und so selbst zu Gott zu werden.
Mit diesen Ausschnitten aus dem eher theoretischen Teil hat sich der Inhalt des Werkes allerdings noch lange nicht erschöpft.
Da es sich in erster Linie um ein Praxis-Buch handelt, in dem es vor allem um den erfahrbaren Zugang zu Mephistopheles geht, finden sich natürlich eine Menge ritueller Vorschläge in dem Band. Ein Ritus des Widersachers beispielsweise, in welchem man sich der Kraft des Mephistopheles öffnet und sich mit dieser verbindet. Oder es gibt Schattenmeditationen, Traumarbeit, einen Sabbat-Zauber, einen Zugang zu der Ebene der Dunklen Mütter mithilfe von Mephistopheles und vieles andere mehr.
Selbstredend, dass in diesem Buch keine rituellen Kopfgeburten präsentiert werden. Neben ihrer Beschäftigung als Schriftstellerin und Dark Fantasy Künstlerin praktiziert die Autorin seit Jahren selbst die Dunklen Künste. Sie ist Leiterin der Loge Magan, der polnischen Loge des in Schweden beheimateten Ordens Dragon Rouge.
Das Buch ist mit klassischen Interpretationen der Mephistopheles-Gestalt bebildert (Hans Baldung Grien, Eugene Delacroix); zudem steuerte die Autorin selbst Darstellungen bei, wie die den Titel des Buches zierende Maske.
Wie im Untertitel treffend erzählt, ist dieser schmale Band tatsächlich ein Grimoire, auch wenn die Proklamation, ein solches zu schreiben, in erster Instanz Zweifel aufkommen lassen könnte. Diese verflüchtigen sich sehr schnell und weichen mit jeder gelesenen Seite einem wachsenden Erstaunen, wie qualitativ hochwertig doch achtzig Seiten sein können und das sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht.
Mephistopheles ist zurück.