Mittwoch, 20. Januar 2016

Frater V∴D∴, Der Magische Schutzschild. Die besten Strategien, um negative Kräfte abzuwehren und sich selbst zu behaupten, Ansata Verlag: München 2015, Festband, 256 S., ISBN 978-3-7787-7506-6, 17,99 €.


Eine aus dem derzeit eher seichten Angebot magischer Literatur in deutscher Sprache herausragende Ausnahme ist das 2015 erschienene Buch des bekannten Autors Frater V:.D:. (alias Ralph Tegtmeier). Aus einer Vielzahl von Büchern zu magischen Themen, die aus seiner Feder stammen, ist sicherlich die zweibändige Schule der Hohen Magie am besten in Erinnerung, die in chaosmagischer Weise bunt durch den Garten magischer Techniken und Traditionen führt.
Prägend für den deutschen Sektor der Chaosmagie, Begründer der Eismagie, Erforscher der Pragmatischen Magie und in Vergangenheit und Gegenwart in verschiedene magische Ordensunternehmungen involviert, ist der in Ägypten geborene Autor eine feste Größe der okkulten Szene, auch über die deutsche Sprachgrenze hinaus. Neben dem Verfassen von Büchern war er Inhaber eines okkulten Buchladens in Bonn und als Verleger magischer Werke tätig.
Der nun vorliegende Band, Der Magische Schutzschild, befasst sich, dem Titel entsprechend, mit dem Erhalt körperlicher, geistiger und seelischer Integrität. Das wiederum setzt der Autor nun auf eine ganz ungewöhnliche Weise und in einem sehr eigenen Duktus um.
Nach einer Einführung in das in unseren Breiten gängige Modell Körper-Geist-Seele finden sich, durchgehend in dieser Dreiteilung gehalten, Anregungen als theoretische und Anordnungen als praktische Bestandteile des Buches. Letztere hat der Leser bei tätiger Herangehensweise genau einmal durchzuführen: In Abgrenzung zu Übungen sind diese Anordnungen nicht auf Wiederholung angelegt. Sie beötigen in der Ausführung ein unterschiedliches Maß an Zeit, in wechselnden Vorgaben sind es häufig mehrere Stunden. Zu jeder Anordnung gehören dann Auswertungen, die schriftlich vorzunehmen sind. Dieses Vorgehen dient in erster Linie dazu, vielfach unbewusste Prozesse, die unsere Interaktion bestimmen, in Zugriff zu bekommen, wie es beim Autor heißt.
Ohne das weiter auszubauen, was an dieser Stelle auch schlecht möglich ist, sind die Anliegen dieses Vorgehens die Erfahrung der Grenzen motorischer Selbstorganisation, die Hinterfragung von Ausdrucks- und Bewegungsroutinen und die Optimierung der eigenen Aussteuerung, um dadurch Verschleiß zu reduzieren, was wiederum einerseits die körperliche Widerstandskraft erhöht, andererseits einen Beitrag zur Festigung der persönlichen Integrität auch in seeleischen und geistigen Bereichen leisten soll.
Bei der Bearbeitung der Vorgaben soll der Praktizierende ein fortgesetztes Bemühen an den Tag zu legen, ein ungebrochenes Bemühen um Annäherung, wie der Autor schreibt; daneben gilt es ganz wertfrei zu betrachten, dass es nicht um ein Ziel, sondern um das Scheitern geht. Lässt sich der Praktiker davon nicht beeindrucken, kann sich Zugriff auf zielentlassenes Tun (erinnert sei an das Wu Wei der Daoisten) einstellen und damit ein Sichentziehen aus der Manipulation bzw. Bedrängung durch Andere. Schon in den Inneren Stilen der asiatischen Kampfkünste, auf die Frater V:.D:. immer wieder vergleichend zurückkommt, ist ja der wahre Meister derjenige, der es gar nicht erst zu einem Kampf kommen lässt. Im Duktus des Autors heißt das dann: „In letzte Konsequenz bedeutet dies, den anderen in Führung zu nehmen und zu verhindern, dass er auch nur in Versuchung kommt, dir seine Dominaz aufzwingen zu wollen.“ (S. 176f.)
Neben dieser Praxis, Anordnungen oder Begehungen zur eigenen physischen, psychischen und geistigen Grenze durchzuführen, den individuellen Zugriff herzustellen und die Reichweite auszudehnen, finden sich auch klassische magische Herangehensweisen, die zum Thema Schutz aufgegriffen sind: Die Sigillenmagie von Austin Osman Spare ist vorgestellt, das weit verbreitete Kleine Bannende Pentagrammritual, die Arbeit mit schützenden Genien über Körperanker und eine Thanatos-Mediation, die an den Santa-Muerte-Kult Mittelamerikas angelehnt ist. Zu letzterer Arbeit wird ein spezielles und durchaus beachtenswertes Meditationsobjekt empfohlen, dass der Berliner Künstler und Okkultist Hagen von Tulien entworfen hat.
Das Buch selbst ist, wie man es vom Autor kennt, sehr gut lesbar und formulierungsverliebt geschrieben. Wer sich für neue und pragmatische Ansätze in der Magie, sei es praktisch, sei es theoretisch, interessiert, ist mit diesem Titel ausgezeichnet bedient.