Zum
Thema Gnosis ist viel in den letzten Jahren geschrieben worden, in
unterschiedlichsten Zusammenhängen. Als antiken Systementwurf der Erkenntnis,
die Fragen des eigenen Seins und die nach der Existenz der wahren Gottheit zu
beantworten suchend, behandelt Johanna Brankaer die Gnosis, im klassischen
Sinne also. Spätestens seit Nag Hammadi ist die Beschäftigung mit der Gnosis
immer intensiver geworden und auch den Laien der Wissenschaft ist es
mittlerweile leicht möglich, sich die ungefähr 60 existierenden gnostischen
Originaltexte in Übersetzung zur Verfügung zu bringen. Nie war das Bedürfnis
nach echter Erkenntnis individuell größer und vielen Erkenntnissuchern begegnet
dabei die antike Gnosis.
Da
mit Gnosis keine klar definierte Religion gemeint ist, sondern ein vielfältiges
und schwer fassbares Phänomen, das sich häufig kryptisch in den auf uns
gekommenen Quellen äußert, bietet sich ein Einführung an, die dem Zugriff auf
die Quelltexte Struktur gibt. Eine solche, durchaus brauchbar und
empfehlenswert, hat Johanna Brankaer geschrieben.
Die
Autorin studierte neben Klassischer Philologie, Philosophie und Byzantinistik auch Theologie und
Orientalismus. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf den Themen der Gnosis: So
veröffentlichte sie 2007 mit H.-G. Bethge den Codex Tchacos, einen
koptischen Papyros aus dem Mittelägypten des beginnenden 4. Jahrhunderts, das
neben drei anderen Schriften auch eine Version des Judasevangeliums enthält.
Der
vorliegende Band behandelt die Gnosis, wie sie sich in den Schriften des 2. und
3. Jahrhunderts gespiegelt findet. Spätere Schulen, wie den Manichäismus, den
Mandäismus oder die Katharer bleiben außerhalb des Blickfeldes.
Einführend
wird die Forschungsgeschichte in mehreren Kapiteln ausführlich beleuchtet. Grob
kann zwischen einer älteren Forschung, die sich auf die Aussagen der
Häresiologen stützt, und einer Forschung nach Auswertung der Funde von Nag
Hammadi unterschieden werden.
Vieles,
was in der älteren Forschung angenommen wurde oder aufgrund fehlender Dokumente
eine Leerstelle war, konnte seit dem Auffinden und der Auswertung der für uns
neuen Textfunde revidiert werden. So bezieht sich Brankaer in ihren
Überlegungen vorrangig auf die Forschungsergebnisse seit dem Beginn der 90er
Jahre und kontrastiert diese äußerst lesenswert mit der älteren Literatur.
Die
großen gnostischen Lehrer der Antike werden mit ihren Lehrmeinungen
vorgestellt: Der Leser wird in gebotener Ausführlichkeit über Simon Magus,
Menander, Basilides, Saturninus und Valentin informiert und erfährt von den
Unterschieden zwischen Sethianischer und Klassischer Gnosis. Das Verhältnis der
antiken Gnosis zur entstehenden katholischen Kirche wird beleuchtet und
Brankaer geht der Frage nach, ob es denn eine gnostische Religion gegeben
hätte, eine Institution oder verbindliche Riten. Trotz theologischer und ritueller
Ähnlichkeiten verschiedener (nicht aller) gnostischer Schulen, für letztere
bspw. in der Taufe oder im Ritus des Brautgemachs, findet sich in der Gesamtschau
keine einheitliche Dogmatik, keine Lebensregel, keine Ämter und keine
autoritativen Schriften.
Neben
dem ausgewogenen Text, der die aktuellen Überlegungen der Geschichts- und
Religionswissenschaften zum Thema Gnosis referiert, besteht dann der zweite
Teil des Buches aus einer Anzahl der deutschen Übersetzungen verschiedener Nag
Hammadi-Texte. Diese sind teilweise in ihrer vollen erhaltenen Länge abgedruckt
(so „Der Brief an Rheginus“, „Das Evangelium nach Maria“, „Die dreigestaltige
Protennoia“) oder aber in Auswahl (so „Das Apokryphon des Johannes“, „Die
Erzählung über die Seele“, „Die drei Stelen des Seth“).
Ein Glossar gnostischer
Begriffe und ein Literaturverzeichnis runden den Band ab. Obwohl die Autorin nichts
substanziell Neues zur wissenschaftlichen Diskussion um die
religionsgeschichtliche Strömung Gnosis beiträgt, ist es ihr gelungen, eine
solide und ausreichend umfangreiche Einführung in dieses komplexe Thema zu
schreiben. Mit diesem guten Überblick gewappnet sollte es dem Leser nicht
schwer fallen, sich in der gnostischen Ideenwelt zu bewegen, so verschlüsselt
sie häufig auf den ersten Blick auch erscheint.