Dienstag, 22. Dezember 2015

Prower, Tomás, La Santa Muerte. Unearthing the Magic & Mysticism of Death, Llewellyn Publications: Woodbury 2015, Paperback, 256 S., ISBN 978-0-7387-4551-0, 17,99 $.


La Santa Muerte ist, nach der Veröffentlichung von Andrew Chesnuts Devoted to Death, die zweite umfängliche Monografie zur Heiligen Mutter Tod in englischer Sprache. Mit Sophia diGregorios Grimoire of Santa Muerte (2013) gibt es derzeit drei englischsprachige Publikationen.
Damit dringt die derzeit am schnellsten wachsende religiöse Kultgemeinde langsam, Leerstellen füllend, in den Buchmarkt ein. Sehr zur Freude der interessierten Leserschaft.
Der Autor, Tomás Prower, studierte Sozioökonomie und Lateinamerikanistik, arbeitete an der Universidad de Chile als Übersetzter und reiste ausgiebig, bevor er nach Los Angeles zurückkehrte, dort als Bestatter arbeitet und sich den Studien zu magischen und religiösen Praktiken verschiedener Kulturen hingibt. Von einem Freund eingeladen besuchte er eine Gruppe von Santa Muerte-Anhängern, nahm an deren Ritualen teil und ist seitdem selbst Anhänger dieser Mysterienschule, wie er den religiösen Kult durchgehend bezeichnet.
Gemäß seines Sprachgebrauchs sieht er in einer kurzen historischen Herleitung dann auch zumindest Parallelen mit den Eleusinischen Mysterien und den Orpheus-Anhängern in der Antike. Die Beschäftigung mit dem Tod und der ewigen Frage des danach zieht sich durch die Zeiten und findet in der Verehrung von Santa Muerte heutigentags ihren Ausdruck.
Und obwohl Prower den Kult um Santa Muerte, neben anderen Vergleichbarkeiten, primär auf die aztekische Religion und den frühneuzeitlich geprägten Katholizismus der Spanier zurückführt, betont er, dass es in der Mysterienschule keine Rolle spiele, welchen religiösen Hintergrund der Praktizierende habe.
Genauso gleichgültig wie der religiöse Hintergrund ihrer Anhänger scheint der Heiligen Mutter Tod auch der soziale Background zu sein: Gerade diese Indifferenz („Ob arm ob reich, im Tode gleich.“) lässt den Kult überaus attraktiv erscheinen. Ihre prinzipielle Neutralität macht es nicht ungewöhnlich, dass Diebe sie anrufen, um eine ertragreiche Nacht zu haben oder aber dass Drogenschmuggler zu ihr beten, um ihre Sendungen spirituell zu versichern. Begann die Verehrung eher als Kult kleiner und häufig auch sozial randständiger Leute, der von der Mittel- und Oberschicht Mittelamerikas abgelehnt wurde, veränderte sich dieses Bild im Laufe der letzten Jahre: La Santa Muerte erarbeitete sich Breitenwirksamkeit.
Nach einem einführenden kurzen Teil zur Geschichte und Mythologie der knöchernen Dame führt Prower in den zweiten Teil, der sich über die magischen Korrespondenzen des Todes auslässt. Neben einer kurzen Betrachtung verschiedener Gottheiten des Todes fokussiert Prower dem Thema seines Werkes entsprechend auf Kleidung, Accessoires, Farben, Kerzen, Räucherstoffe und Halbedelsteine, die in der Verehrung Santa Muertes zur Anwendung kommen. Er gipfelt hier in einer Anleitung zum Einrichten eines häuslichen Altars, der richtigen Darbringung von Opfergaben und der meditativen Kontaktaufnahme zur Mutter Tod.
Der dritte Teil des Buches dann hat starken Rezeptsammlungscharakter: Er ist darauf ausgelegt, aus der Praxis für die Praxis zu funktionieren und illustriert die konkrete Zauberei der Mysterienanhänger. Zuerst angesprochen steht natürlich die entsprechend anzustrebende mentale Ausrichtung neben kurzen ethischen Betrachtungen. Es folgen, abgearbeitet an der Verknüpfung der Farbe der Robe der Santa Muerte mit einem entsprechenden Aufgabenbereich, die Praxisanleitungen: Geldzauber (gold), Liebeszauber und Sexualmagie (rot), Heilungszauber (regenbogenfarben oder weiß; in anderen Werken blau bzw. lila), Schutzzauber (schwarz oder weiß) und Zauber zu Rechtsfragen (grün). Verfluchungen, die mithilfe von Santa Muerte möglich und gängige Praxis sind, lässt Powers dabei bewusst aus, ethische Argumente anführend.
Klar, dass in diesem Werk keine wissenschaftliche Distanz zum Forschungsobjekt (hier: -subjekt) zu erwarten ist, wie es Chesnut versucht hat. Alles in allem ist das Buch ein sehr passabler Überblick zur rituellen Kommunikationspraxis mit der Heiligen Mutter Tod und bietet neben den nötigen Hintergründen eine ausreichend ausgearbeitete Anleitung zum Einstig in dieselbe. Und man lehnt sich wahrscheinlich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man behauptet, dass es in den nächsten Jahren wohl noch ein Vielzahl von Veröffentlichungen zu Santa Muerte geben wird, denen mit Freude und Spannung entgegen gesehen werden kann.