Im Jahr 2015 jährte sich zum einhundersten Mal die
Gründung der British Columbia Logde No. 1, der ersten Loge des O.T.O. auf
nordamerikanischem Boden. Frater Achad (i.e. Charles Stansfeld Jones), der 1910
von England nach Kanada auswanderte, wurde von Crowley zur Einrichtung einer
Loge authorisiert und bekam die entsprechenden Unterlagen für die Organisation
und die Initiationsrituale. 1915 nahm die British Columbia Lodge No. 1 ihre Arbeit
in Vancouver auf, damals mit der Initiation von William C. Clark in den
Minerval-Grad.
Dieser Jahrestag nun wurde vom O.T.O. im letzten
Jahr mit einer Konferenz in Vancouver und der hier vorgestellten Festschrift
feierlich begangen.
Und wohl völlig zurecht ist diese Anthologie dem
seit nunmehr 30 Jahren amtierenden O.H.O. Hymenaeus Beta (i.e. William Breeze)
gewidmet. Der Musiker (u.a. Coil, Psychic TV, Current 93) trat 1985 die
Nachfolge von Hymenaeus Alpha (Grady McMurtry) als agierender O.H.O. (Outer
Head of the Order, Frater Superior) des Kaliphats-O.T.O. an. Nachdem er von
allen aktiven Mitgliedern des IX.° als Kaliph gewählt war und seinen Namen in
Anlehnung an seinen Vorgänger bekannt gegeben hatte, machte er sich fortan
besonders durch die Neuherausgabe der Werke Crowleys in der Öffentlichkeit einen
Namen. Wichtiger und für die interne Ausrichtung entscheidend war die
Wiederbelebung des Ordens, die unter seinem Vorgänger begonnen wurde, die aber
in weiten Teilen später Breeze als höchste Autorität des O.T.O. direkt zu
verantworten hat. So richtete er nationale Großlogen in Großbritannien, den
USA, Australien, Kroatien und Italien ein und verschaffte der Ordensbewegung
erheblichen Zulauf in den letzten drei Dekaden. 2014 wurde Breeze dann durch
die Großmeister der nationalen Logen auch offiziell, nicht lediglich agierend,
zum O.H.O. Im Zusammenhang mit dem Ordensausbau, der Renaissance des O.T.O.,
steht auch sein erfolgreicher Einsatz dafür, dass der Orden Rechteinhaber der
Schriften Crowleys wurde.
Während unter McMurtry der O.T.O. also wiederbelebt
wurde (1967), aber lediglich überlebte, erlebt er unter William Breeze
zunehmende Blüte.
Besonderer Fokus der Festschrift, zurück zu den
Texten, liegt erwartungsgemäß auf den historischen Anekdoten, die verschiedene
Aspekte der letzten 100 Jahre illustrieren. Detail- und kenntnisreich werden
unterschiedlichste Themen aufgeworfen und Fragestellungen beantwortet.
So würdigt Shiva X°, nationaler Großmeister
Australiens, die Zusammenarbeit mit Breeze und den Aufbau in Australien in den
80ern. Clive Harper erzählt Ähnliches aus Großbritannien, wo im selben Jahrzehnt
die Aufbauarbeit begann. Noch früher setzt Vere Chappell mit einem Beitrag an,
der die Geschichte von O.T.O. und A:.A:. vor der Übernahme des Crowleyschen
Gesetzes von Thelema beleuchtet.
In einem eigenwilligen Beitrag setzt James Wasserman
die Bill of Rights mit dem Liber Oz von Crowley in Verbindung und entwicklet so
eine ganz spezielle Sicht auf die Ausbreitung des von Crowley proklamierten
Neuen Äons in der Neuen Welt. Wasserman, seit 1976 Mitglied des O.T.O, ist
einer der Mitbegründer einer der ältesten O.T.O. Filialen in den USA, der
Tahuti-Lodge in New York, in der auch Breeze lange Jahre mitgearbeitet hat.
Ein weiterer Autor in der illustren Runde
schreibender O.T.O.-Mitglieder ist Richard Kaczynski, der den interessierten
Lesern wahrscheinlich dadurch bekannt ist, dass aus seiner Feder eine von
vielleicht zwei oder drei wirklich brauchbaren Crowley-Biografien stammt
(„Perdurabo“).
In weiteren Beträgen des vielfältigen und
interessanten Bandes wird etwa die Rolle von Charles Stansfeld Jones in der
Gründungsgeschichte des nordamerikansichen O.T.O. behandelt, Leila Waddell wird
vorgestellt, eine australische Geigerin, Crowley-Geliebte und –Muse sowie
einflussreiches und frühes Mitglied des nordamerikanischen Ordens oder aber die
Aufführungspraxis der Eleusinischen Riten wird nachvollzogen, eines
Mysterienspiels nach Crowley.
Womit die Anführung der in der Festschrift
enthaltenen Beiträge keinesfalls vollständig ist.
Alles in allem entpuppt sich das vorliegende Werk als eine
sehr gelungene Zusammenstellung an frischen Texten und als ein vitaler Spiegel
der Aktivitäten der Orientalischen Templer in Nordamerika, die nicht nur
O.T.O.-Mitglieder begeistern kann. Und auch an die Ausstattungsfetischisten
wurde gedacht: So ist der Schutzumschlag mit dem Abdruck des von Crowley
eigenhändig gezeichneten O.T.O.-Lamens geziert; die aktuell gültige Version ist
in den vorderen Buchdeckel geprägt.